Donnerstag, 21. September 2006

Sonne auf's Hirn

Sonne auf's Hirn

Die mittägliche Sonne der Sahara hat sich in meinen Septembergarten verirrt. Wie hat sie das gemacht?

Meine letzte Nacht war feucht und fröhlich und sehr kurz. Und nun versuche ich eben schnell die Teilnehmerliste am Gartentisch abzuschreiben, die ich heute Abend zum Treffen mitbringen will. Das wird wohl selbst unter miserabelsten Bedingungen zu schaffen sein.

Der erste Name, Geburtsdatum... lustig, es stimmt exakt mit meinem eigenen überein. Zweiter Name, Geburtsdatum.... merkwürdig, Nummer Zwei hat mit meinem Sohn zusammen Geburtstag! Dritter Name, mit wessen Geburtstag stimmen diese Daten überein? Na also! Ein ganz alltägliches, nichtssagendes Datum, kein Mensch aus meiner Sippe oder meinem näheren Freundeskreis hat an diesem Tag Geburtstag! Geht doch! Ich hatte mir schon eingebildet, ich würde magisch verfolgt von magischen Zahlen!

Vierter Name, selbes Geburtsdatum wie Nummer drei. Nie wieder schreibe ich in der Sonne mit Kater eine Liste ab! Ich werde mich sonst womöglich mein Leben lang vor Zahlen fürchten! Die verfolgen mich, um mich zu verwirren!

Nein, Entwarnung, alles klar, Nummer drei und Nummer vier sind Zwillinge.

Ich entspanne mich wieder. Wie kann ich mich wegen Geburtsdaten so aus der Ruhe bringen lassen? Lächerlich!

Fünfter Name. Das Geburtsdatum... ist das gleiche wie von Drei und Vier. Drillinge?

Ich klappe das Notizbuch zu, ich falte den Zettel mit den ersten fünf Namen zusammen, dass ich keine einzige Ziffer mehr sehen kann.

Ich gehe zu Bett.

Bevor ich je wieder versuche, eine Teilnehmerliste abzuschreiben, werde ich die Kabbala studieren!

Gute Nacht, Mittagssonne!

Schöner Italiener

"Lass uns essen gehen. Lass uns zum schönen Italiener", meint meine Freundin Hanne.

"Lass uns doch mal woanders hingehen", murre ich. "Seit mindestens 10 Jahren gehen wir ausschließlich dorthin."

"Na und? Der ist doch nett, das Essen schmeckt, oder etwa nicht, und er ist doch wirklich schön. Der schönste Mann, den ich kenne." Sie schwärmt zum tausendsten Mal: "Diese schwarzen Haare und dazu blaue Augen, das ist doch was Besonderes! Und diese goldene Haut. Und ich hab' noch nie einen Italiener gesehen, der so groß ist. Der ist doch echt groß, bald eins neunzig, schätze ich. Das hat man nicht oft bei Italienern. Uns so breitschultrig!"

Zwanzig Minuten später sitzen wir im Lokal. Es heißt allerdings nicht "Zum schönen Italiener", sondern "Da Giovanni", wie alle. Hanne ist schon emsig dabei, dem Schönen klar zu machen, was sie bestellen möchte:

"Zwei Bier!" Zum besseren Verständnis hält sie zwei Finger in die Luft. "Zwei Bira, zwei!" ruft sie laut und deutlich und schwenkt zur Verdeutlichung noch einmal nachdrücklich die Hand, von der zwei Finger senkrecht abstehen. Der schöne Italiener weicht dezent ein wenig zurück, damit sie nicht in seinem Nasenloch hängen bleiben.

"Zwei Bier, ok. Was darf ich zu essen bringen?"

Hanne macht ihm in schlichten, deutlichen Worten klar, was wir zu speisen wünschen.

Die Nudeln schmecken wie immer, wir plaudern wie immer und Hanne wirft ab und zu einen Blick über die Gabel dem schönen Italiener hinterher. "Er und Giovanni sind seit Jahren ein Paar, wusstest du das? Ich nicht, hab' ich nie gemerkt", meint Hanne. "Ein Jammer", seufzt sie.

Wir wollen zahlen. "Ich lad' dich ein", meint Hanne und kramt in ihrer riesigen Handtasche nach der Geldbörse. Wie immer lässt sie sich nicht so ohne weiteres finden. Sie packt einiges auf den Tisch, um mehr Übersicht zu bekommen. Ein Stapel Prospekte von den Grünen für die Wahl vergangenen Sonntag ist dabei. Ich staune immer wieder über die Unergründlichkeiten von Hannes Handtasche.

"Die grünen hab' ich diesmal auch gewählt", meint der schöne Italiener, während er Hannes Schein entgegen nimmt,
und fängt an uns einen Vortrag über erneuerbare Energien zu halten. Hanne und ich sind Profis auf dem Gebiet, aber der Italiener weiß noch weit mehr als wir. Hanne starrt mich irritiert an und verliert nach und nach ihre Farbe im Gesicht.

"Ich muss den an der Kasse wechseln", meint der schöne Italiener endlich und verschwindet mit dem Schein zur Theke.

"Was der alles weiß," flüstert meine Freundin Hanne fassungslos. "So was weiß doch ein Italiener nicht. Das weiß ja nicht mal ich
alles. Und...." Hanne wird noch ein wenig blasser. "Der kann ja deutsch!"

"Allerdings. Er spricht akzentfrei deutsch", bestätige ich.

"Ach du Scheiße, wieso ist mir das noch nie aufgefallen all die Jahre?" flucht Hanne, und ihr Gesicht nimmt nun eine rötliche Färbung an. Aber Hanne wird mit jeder Situation fertig im Leben. Als er mit dem Wechselgeld wiederkommt, fragt sie schon wieder ganz locker: "Du kannst aber gut deutsch, woher kommst'n du?"

Er lacht. "Ich komm' aus Steindorf, so wie du."

"Nein!"

"Doch. Mein Vater ist Andreas Lehmann, mit dem du in deiner Jugend bei den Kommunisten herumgehangen hast. 1988 hab' ich Abi gemacht an der selben Schule wie du und mein Alter, und seitdem bin ich hier bei Giovanni."


Ich glaube, ich habe gute Chancen am nächsten Wochenende mit meiner Freundin beim Inder essen zu gehen.

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