Sonntag, 25. Dezember 2005

Weihnachtsfrühstück

Alle sind da, und noch mehr. Zu essen und zu drinken gibt es alle Leckereien, die sich gefunden haben und die die Gäste von überall her mitgebracht haben. Eine Ruhe breitet sich aus, als sei alle Hektik des Jahres auf einen Schlag vorbei. Cappuccino schlürfen, plaudern, träumen, blödeln, döseln.

"Angestellte von Tankstellen sind anscheinend alle gleich, wisst ihr das? Alle haben sie gestern Abend gelacht, als ich spät etwas kaufen wollte. Und die Schlangen von Kunden auch."

"Echt? Was wollste denn kaufen?"

"Tannenbaumkerzen."

Alle schauen aus den Augenwinkeln auf die leeren Kerzenhalter im Baum. Alle grinsen, aber keiner lacht.

Nur Fredo. Aber der hat auch schon mal an einer Tankstelle gearbeitet.

Samstag, 17. Dezember 2005

Stille Nacht

Zur Adventszeit nehme ich eine großzügige Haltung ein. Ich besuche Gisela zum Essen, ich nehme sogar an Adventsfeiern teil. Bevor wir unsere Plätze an der Kaffeetafel gefunden haben, stürzt schon Gisela auf mich zu, so dass die großartige Haltung in mir zu einem Häufchen Resignation zusammen zu schrumpfen droht - Gisela, die Kaskadenrednerin. Von der anderen Seite kommt Renate auf mich zu:

"Ach, Ama, schön, dass man dich auch mal sieht! Ich setze mich heute mal zu dir!"

Sie nimmt mich vertraulich am Arm und drückt mich mit erstaunlicher Kraft auf den Stuhl nieder. Sie beugt sich weit zu mir herüber und wispert lautstark:

"Ach, Ama, ich wäre ja fast gar nicht gekommen. Mir geht's nicht so. Ich verlasse kaum noch das Haus."

Sie beugt sich noch etwas weiter zu mir herüber. Ich falle auf der anderen Seite fast vom Stuhl vor lauter Ausweichen. Entschlossen drücke ich meine Schulter gegen ihre als Versuch, wieder etwas Platz auf meinem Stuhl zurück zu gewinnen.

"Renate, was fehlt dir denn?" frage ich, bemüht, den Tonfall nicht allzu teilnahmsvoll geraten zu lassen. Es nützt aber nichts.

"Ach, Ama, ich werde bald ins Frauenhaus gehen."

"Nein!" Erschrocken schaue ich zu Renates Mann Robert hinüber. Er steht mit den Männern an der Theke und sieht sanftmütig und freundlich aus wie immer.

"Ach, Ama, ich habe doch immer so Nasenbluten. In der Nacht wird mir Gewalt angetan - wenn ich schlafe!"

"Nein!" enfährt es mir noch einmal und entsetzt schaue ich auf den so freundlich ausschaunden Bauern Robert.

"Ach, Ama, wenn ich wach bin, dann geht's ja, aber sobald ich eingeschlafen bin!"

"Wachst du dann auf?" frage ich.

"Ach, Ama, nein."

"Wie weißt du dann, dass dir Gewalt angetan wird?" frage ich irritiert.

"Ach, Ama, das Nasenbluten! Und ich hab's auch im Gefühl, ich WEIß es!"

Bedauernd schaue ich zu Gisela hinüber, die jetzt am anderen Ende der Tafel sitzt. Fast wäre sie meine Sitznachbarin gewesen.

"Ach, Ama, ich schlafe schon mit dem Kopf zu den Füßen und den Füßen auf dem Kopfkissen, aber es nützt nichts! Jede Nacht das Gleiche! - Vielleicht lässt er sie auch durch die Haustür rein, wenn ich eingeschlafen bin."

"Wen?"

"Ach, Ama, die Männer, mir Gewalt antun! Vielleicht haben sie aber auch einen Dietrich! Ich war schon ein paar mal bei der Polizei, aber, sie sagen, wenn ich noch mal wiederkomme, dann bringen sie mich in die Geschlossenen. Aber da will ich nicht hin. Meinst du, ich kann ins Frauenhaus?"

Da setzt die Musik ein: "Stille Nacht, Heilige Nacht."

Bei Gisela zum Adventsessen

Heute war ich bei Bäuerin Gisela zum Mittagessen. So oft hatte ich ihre Einladungen ausgeschagen, "keine Zeit" - nicht weil ich zu viel zu tun gehabt hätte, eher weil ich die Befürchtung hatte, dass ein Mittagessen bei Gisela nicht so leicht zu überstehen wäre.

Ich stapfte also über den nassen Hof und öffnete die Küchentür.

"Ach Ama, da bist du ja, ich dachte schon, du kommst gar nicht mehr! Ich bin fast nicht fertig geworden, war zu viel los, heute Morgen, immerzu Telefon. Einmal war Ingrid dran. Sie wollte wissen, was wir zur Weihnachtsfeier im Basarkreis mitnehmen wollen. Sach nich, dass ich wieder die Vanille-Hörnchen machen soll, hab' ich gesagt, ich hab viel zu viel zu tun. Ama kommt heute auch, hab ich gesagt. Na gut, mach ich denn wieder Vanille-Hörnchen, hab' ich gesagt. Die essen sie ja immer alle so gern. Meyers Marie kann immer gar nicht genug davon kriegen. Was meinst du, soll ich im Wohnzimmer decken oder hier in der Küche? Stell dir vor, ich hab' noch nicht mal den Tisch gedeckt. Nur wegen dem Telefon. Die halten einen immer auf, die Leute. Hermann hat auch angerufen. Will mir doch das Plumpsklo auf dem Hof auspumpen. Nee, lass ma, hab ich gesagt, die Kuhle liegt da ja so im Schatten, dahinten unter den Eichen, weißte, da kommt die Sonne jetzt nicht hin, wer weiß, ob da nicht der Frost drin ist in der Kuhle. Denn kriegste da gar nicht alles raus, Hermann, hab' ich gesagt, denn verstopfste dir nur die Pumpe. Mach das ma im Frühjahr. Ich hab ja Wasserklo jetzt, seit wir damals das Badezimmer eingabaut haben, als Wilhelm noch lebte. Ich geh doch bei dieser Kälte nachts nicht übern Hof! Nee, hab' ich gesagt, lass ma, Herrmann, das hat doch Zeit bis zum Frühjahr. Eigentlich können wa ja hier essen, nicht? Ich mach noch 'ne Kerze an, denn is das auch feierlich. Im Wohnzimmer isja auch gar nicht geheizt. Setz dich man da hin, Ama, was stehst du noch rum? Rottatu-i gibt's heute, das ist französisch. Kennst du Rottatu-i? Hamwa damals in Frankreich gegessen, als wir mit dem Reichsbund... damals als Wilhelm noch lebte. Ich hab's aber nicht nach Rezept gemacht. Ich hab' das meiste Kürbis drin. Hat doch Renate jetzt noch nach'm Frost so'n Kürbis gebracht! So'n dickes Ding, kann ich gar nicht wegkriegen auße Küche. Guck ma, da liegt er. Den konnt'se wohl nicht mehr verarbeiten, da hat se ihn mir gebracht. Im Handwagen. Und inne Truhe passt der nicht, da sind schon die Gänse drin. Letzte Woche hamwa ja schon geschlachtet, Herta und ich. Wollten nich wieder den ganzen Stress kurz vor Weihnachten haben. Ich tu dir bisschen was auf, nä? Ich hab da auch Kräuter der Provengz rangetan, das ist auch französisch, das passt gut zu Rottatu-i. Pizzagewürz ist auch dran, damit die Kräuter-der-Prvengz nicht so vorschmecken. Die schmecken ja denn immer so leicht vor, nich? Muskat hab ich gespart, das hab ich nicht rangetan. Das nehm ich denn immer für'e Rouladen. Also der Kürbis ist wieder ganz schön weich geworden, dabei hab' ich ihn so kurz gekocht diesmal, die ganze Rottatu-i hab ich nur ganz kurz gekocht. Man kann sie ja im Ofen machen, aber ich hab alles in den Topf getan und auf dem Herd gekocht. Is nich so'n Aufwand."

Sie malt mit dem Zeigefinger sorgfältig einen Kreis auf die Tischplatte, einen imaginären Kreis.

"Nur etwas Olivenöl hab ich genommen aus der Flasche, einmal so rum, so rum mit der Flasche. Und dann mit dem Pinsel verteilt."

Sie streicht jetzt mit der ganzen Handfläche in großzügigen Bewegungen über die Tischplatte.

"Ich hab die Rottatu-i extra nicht so fett gemacht, Ama, die Franzosen machen sie ja immer so fett, aber ich nicht, und ich hab auch extra kurz gekocht, damit der Kürbis nicht so weich wird, aber er ist trotzdem weich geworden. Die Franzosen kochen die Rottatu-i ja immer lange. Glaub' ich."

Ganz genau kann ich mich an dieses Mittagessen im Einzelnen nicht bis zu seinem Ende erinnern, nur daran: Der Geschmack des merkwürdigen Kürbisgerichts war hervorragend. Ich habe weder guten Tag noch auf Wiedesehen noch sonst ein Wort gesagt, und irgendwann fand ich mich erschöpft und benommen zu Hause auf dem Sofa wieder.

Ich bin nicht undankbar, zwei Dinge weiß ich sehr zu schätzen: Dass Giselas dubiose Speisen immer vorzüglich schmecken und dass Gisela mir niemals vorwirft (wie sonst so viele) ich sei zu schweigsam. Deshalb werde ich bei Gelegenheit wieder eine Einladung annehmen.

Aber nicht vor dem nächsten Advent!

Dienstag, 24. Mai 2005

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Montag, 16. Mai 2005

Bin ich noch zu retten?

Er: Oh Mann, das nervt mit der alten Dame.

Ich: Lass es uns als Alterserscheinungen nehmen und gelassen bleiben.

Ich, immer noch: Obwohl... es ist nicht einfach, alles mit ihrem Alter zu entschuldigen. Sie war ja schon immer so, nur jetzt ist es wahrscheinlich schlimmer als früher. Lass uns bloß unsere Marotten ausmerzen, bevor es zu spät ist! Was nervt dich an mir?

Er: Du lässt immer überall deine Apfelreste liegen, wo du gehst und stehst.

Ich: Quatsch.

Er: Sieht du, schon zu spät. Du willst die Wahrheit nicht hören.

Ich: Also gut. Ich lasse manchmal Apfelreste liegen, aber nicht immer und nicht überall und nicht wo ich gehe und stehe.

Er: Manchmal muss man eben etwas mehr als die Wahrheit sagen.

Ist meine Um- und Nachwelt noch zu retten vor mir?

Samstag, 14. Mai 2005

Sprachfehler oder Poesie?

Der unerwartete Gast, man müsste sagen: Gästin, stürzt temperamentvoll zur Tür herein, wirft einen Blick auf den gedeckten Tisch mit der Mahlzeit aus Resten von gestern, lässt sich nieder, bevor man sie erst auffordern muss und ruft begeistert:

"Patatesalate und Linsenplinsen!"

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