Mittwoch, 15. März 2006

15 Cent

An der Kasse im Supermarkt stehe ich, den Wagen bis oben hin voll gepackt, die dicke gelockte Dame in Kittelschürze nennt den Preis und schiebt meine Scheine in die Kasse. Mir fehlen 15 Cent.

"Nehmen Sie bitte ein Teil heraus...", bitte ich. Nein, das ginge nicht, sie habe schon alles "geponkt". Ich müsse warten, bis alle Kunden bedient seien, dann müsse ich alles noch einmal auf das Band legen und sie noch einmal alles bearbeiten.

Ich schaue auf die Schlangen an der Kasse. Bis zum Horizont schlängeln sie sich.

"Geben Sie mir bitte mein Geld wieder, ich lasse den Einkauf hier stehen." Nein, das ginge auch nicht. Und der Vorgesetzte könne auch nicht kommen, um mir zu erlauben, mir die 15 Cents zu stunden, denn der Vorgesetzte müsse am Abend nicht für die Kasse gerade stehen, sondern sie.

Ich bin nicht beunruhigt. Es stehen Dutzende Leute in der Warteschlange, starren mich an und lassen sich kein Wort entgehen. Irgend jemandem wird es schon wert sein, für 15 Cent die Wartezeit zu verkürzen. Ich schaue erwartungsvoll in die Menge. Die ist erstarrt. Keiner rührt sich. Alle glotzen.

Muss ich jetzt noch öffentlich betteln?

"Würde mir jemand von den anwesenden Herrschaften 15 Cent schenken?" Keine Reaktion. Ich schaue den Herrn im Anzug an. Der schüttelt einfach nur den Kopf. Die Dame im Pelzmantel - schaut schnell weg. Ich verharre im Schweigen und denke, dass jemand doch wohl die Nerven verlieren müsste und mir die 15 Cent anbieten wird.

Nichts.

Doch, eine Dame ziemlich weit hinten in der Warteschlange haucht: "Ja, ich schau mal....", und wühlt verlegen in ihrer Tasche herum. Es ist so still, dass das Flüstern der schüchternen Dame bis hier vorn deutlich zu verstehen ist. Sie wird rot, während sie sich über ihre Geldbörse beugt. Sie weiß, dass nun alle Augen auf sie starren.

Die 15 Cent werden schweigend nach vorn durchgereicht, sie verschwinden in der Kasse vom Schweigen begleitet. Der Betrieb geht weiter, als wäre nichts geschehen. Ich bedanke mich und schiebe meinen Wagen hinaus.

Wie ich mit dem Auto über den Parkplatz rolle, winke ich der Dame noch einmal dankbar zu. Sie wird wieder rot und strahlt über das ganze Gesicht. Ich habe ihren Tag gerettet. Ich habe ihr ermöglicht, eine gute Tat zu begehen.

Aber unsere ganze Gesellschaft mit ihrer Mentalität ist mir heute keine 15 Cent wert. Ich wandere aus.

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